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16.05.2024 | Additive Fertigung | Schwerpunkt | Online-Artikel

Korrosion in der additiven Fertigung wird zum Thema

verfasst von: Thomas Siebel

5 Min. Lesedauer

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In Mikrostruktur, Porosität und Oberfläche unterscheiden sich additiv gefertigte Teile maßgeblich von konventionell verarbeiteten Metallen. Damit stellen sich Fragen hinsichtlich der Korrosionsbeständigkeit der Teile.

Metallurgie kann auch rückwärts ablaufen – und das tut sie gnadenlos. Bekannt ist die "Metallurgy in Reverse" natürlich unter einem geläufigeren Begriff: Korrosion. Die meisten Metalle streben unablässig zurück zu ihrem natürlich und thermodynamisch stabileren Zustand als Oxide oder Sulfide. Der Prozess läuft an, sobald ein Werkstoffs der Beanspruchung einer aggressiven Umgebung – Medium, Druck, Temperatur – nicht mehr standhalten kann. "Gestoppt werden kann Korrosion nicht", schreibt Pietro Pedeferri im Kapitel General Principles of Corrosion, doch zumindest lasse sich das Ausmaß der korrosiven Zersetzung eines Metalls erheblich bremsen.

Dass Korrosion auch ein volkswirtschaftlich ernstzunehmendes Thema ist, untermauert eine Schätzung der Gesellschaft für Chemische Technik und Biotechnologie (Dechema), wonach ein Industrieland wie Deutschland jährlich korrosionsbedingte Verluste von 3 bis 4 % seines Bruttoinlandsprodukts erleidet. Betroffen sind sämtliche Sektoren, die Metalle einsetzen – in Form von Fahrzeugen, Rohren oder Brücken, in Anlagen für die Produktion oder Energieerzeugung bis hin zu medizinischen Implantaten.

Korrosion resultiert aus Werkstoff, Design und Beanspruchung

Die Kosten hängen dabei nur zum Teil mit korrosionsbedingten Unterbrechungen von Produktionslinien oder Verschmutzungen zusammen. Unter die Kosten fallen auch Ausgaben für präventive Maßnahmen wie das Aufbringen von Schutzlacken oder kathodischen Schutz, die Industrieprozesse teilweise erst möglich machen.

Gute Korrosionsschutzkonzepte stellen vor diesem Hintergrund einen enormen Wirtschaftsfaktor dar, so die Dechema. Doch obwohl das Thema praktisch alle Sektoren betrifft und sich die Schadensbilder gleichen, lässt sich die Ursache für einen Korrosionsschaden oftmals nicht ohne Weiteres bestimmen. Bekannt ist, dass die Korrosionsbeständigkeit eines Bauteils wesentlich von Werkstoff, Design und der Beanspruchung abhängt.

Was sich auf die Korrosionsbeständigkeit auswirkt

Werkstoff

Legierungsanteile, lokales Gefüge, Phasen, Ausscheidungen, Wärmebehandlung, ...

Design

Korrosionsexponierte Teile, Spalten, Kerben, Schweißnähte, ...

Beanspruchung

Medien: Zusammensetzung, Druck, Temperatur, pH-Wert, ...

Design: Multiaxiale Dehnungen, Spannungszustände, ...

Ursache für Korrosion oft unklar

Doch dann wird es kompliziert: "Im Gegensatz zu vielen anderen Bereichen der Technik ist es bezüglich Korrosion oft nicht möglich, das Verhalten von Bauteilen und Anlagen in Formeln, Tabellen oder Regelwerken anzugeben", schreiben Thomas Böllinghaus, Michael Rhode und Thora Falkenreck im Dubbel-Kapitel Korrosion und Korrosionsschutz.

Die Korrosionsbeständigkeit hänge nämlich nicht allein von Werkstoff, Design und Beanspruchung ab, sondern auch von den sehr unterschiedlichen physikalischen Prozessen und chemischen Reaktionen in Werkstoff, Medium und dazwischenliegender Phasengrenze. Zudem könne die reine Korrosionsbeanspruchung von mechanischen Beanspruchungen wie bei der Riss- oder der Verschleißkorrosion überlagert werden, während die unterschiedlichen Einflüsse zudem oft örtlich und zeitlich verteilt auftreten. Vor diesem Hintergrund eine Ursache für einen Schaden zu benennen, ist schwierig.

Additiv gefertigte Teile zunehmend in aggressiven Umgebungen

Besonders rar ist das Verständnis für Korrosion bislang auf dem Gebiet der additiven Fertigung mit Metallen. Während sich zahlreiche Forschungsarbeiten mit den mechanischen Eigenschaften additiv verarbeiteter Werkstoffe beschäftigten, bestehen heute noch beträchtliche Wissenslücken hinsichtlich des Korrosionsverhaltens der gefertigten Teile. Das Thema dürfte mit der weiteren Verbreitung der Technologie allerdings an Relevanz gewinnen, da Teile aus dem 3-D-Drucker zunehmend auch in aggressiven Umgebungen eingesetzt werden könnten.

Anschaulich macht dies beispielsweise ein Projekt der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM). Die Forschenden nutzen additive Technologien, um korrosionsgeschädigte Gastturbinenschaufeln instand zu setzen.

Mikrostruktur der Teile unterscheidet sich maßgeblich

Bedingt durch den Fertigungsprozess unterscheiden sich additiv gefertigte Teile in einigen Eigenschaften maßgeblich von herkömmlich verarbeiteten Metallen – und das wirkt sich auf das Korrosionsverhalten aus. Insbesondere in der Mikrostruktur zeigen sich deutliche Unterschiede, was sich am Beispiel der häufig verwendeten Aluminiumlegierung AlSiSi10Mg nachvollziehen lässt. Das Material ist nicht nur sehr belastbar und leicht zu verarbeiten, sondern es zeigt, etwa während des Lasersinterns, auch hohe Abkühlgeschwindigkeiten von bis zu 108 K/s und Temperaturgradienten von 103 bis 107 K/m. Dadurch entsteht in der Fertigung eine säulenartige, im Englischen auch Fish-scale genannte Mikrostruktur, die anschließend durch verschiedene Wärmebehandlungen aufgelöst wird.

Die Änderungen der Mikrostruktur schlagen sich dabei direkt auf die Korrosionseigenschaften des fertigen Bauteils aus. Auch andere beliebte Werkstoffe für die additive Fertigung wie der martensitaushärtende Stahl MS1, die Titanlegierung Ti6Al4V oder der rostfreie Stahl 316L SS weisen mikrostrukturelle Besonderheiten auf, deren Wärmebehandlung sich wiederum auf die Korrosionseigenschaften auswirken.

Porosität, Eigenspannungen und Oberfläche als Faktoren

Neben der Mikrostruktur und der Wärmebehandlung beeinflussen zudem Porosität, Eigenspannungen und Oberflächeneigenschaften das Korrosionsverhalten, wie Gökhan Özer und Mustafa Safa Yilmaz im Kapitel Corrosion Behaviour of Additive Manufactured Metals beschreiben.

Eigenschaft

Ursache/Einflussparameter

Auswirkung auf Korrosionsverhalten

Mikrostruktur und Wärmebehandlung

Hohe Abkühlraten und Aufheben von Phasengrenzen

Umwandlungen von Mikrostrukturen verändern das Korrosionsverhalten.

Porosität

Wahl der Fertigungsparameter wie Laserleistung und Arbeitsgeschwindigkeit

Korrosion startet oft an Poren und Rissen. Hohe Porosität führt zu verringerter Korrosionsbeständigkeit. Besonders kritisch sind Bindefehler (Lack of Fusion Pores, LOF).

Oberflächenrauheit

Fertigungsbedingt gestufte Oberfläche und unsachgemäßes Schmelzen oder Verklumpen von Pulver

Hohe Rauheit senkt Korrosionswiderstand, unter Anderem aufgrund gestörter Passivierung der Oberfläche.

Eigenspannung

Hohe Temperaturgradienten während und nach der Fertigung

Druckeigenspannungen erhöhen, Zugeigenspannungen senken Korrosionswiderstand grundsätzlich. Konkrete Auswirkungen in der additiven Fertigung sind nicht abschließend geklärt.

Passivschicht

Additiv gefertigte Teile bilden vergleichsweise dicke, teils auch uneinheitliche Passivschicht aus

Fehlerhaft ausgebildete Oxidschichten führen zu geringerem Korrosionswiderstand.

Neue Werkstoffe und Anwendungen fordern besseres Verständnis

Özer und Yilmaz nennen auch Maßnahmen, wie additiv gefertigter Teile korrosionsbeständiger werden. Dazu gehören unter anderem die Wahl kleinerer Pulverkorngrößen, sowie angepasster Prozessparameter und Wärmebehandlungen, um robustere Mikrostrukturen, glattere Oberflächen und geringe Porositäten zu erreichen. Auch das heißisostatische Pressen gefertigter Teile ist ein Mittel, um problematisch hohe Verhältnisse von Poren zu Vollmaterial zu senken. Zudem wirkt sich das Entfernen dicker Oxidschichten auf der Oberfläche positiv auf das Korrosionsverhalten aus.

Dennoch besteht laut Özer und Yilmaz weiterhin Forschungsbedarf: "Das Verständnis des Korrosionsverhaltens von additiv verarbeiteten Metallen wird mit den neu entstehenden Werkstoffen und den zunehmenden Einsatzgebieten auch in Zukunft ein wichtiges Thema sein."

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